Kleinbahn im Modell
Die Geschichte der Kleinbahn
Die Ende des 19. Jahrhunderts angestrebte Erschließung des ländlichen Raums durch die Eisenbahn ließ sich mit den bestehenden Regelungen für den Bau und Betrieb von (Staats-) Eisenbahnen nicht durchführen. Deshalb verabschiedete man im Jahre 1892 in Preußen das Kleinbahngesetz, das den einfachen Betriebsverhältnissen mit geringeren Anforderungen an die Sicherungstechnik Rechnung trug. Es bildete die rechtliche Grundlage für den Bau und Betrieb von Kleinbahnen durch Kommunen und private Eisenbahnunternehmen – das bekannteste davon ist sicher Lenz&Co. in Stettin. Alle nach diesem Gesetz gebauten und betriebenen Bahnen sind im rechtlichen Sinne Kleinbahnen.
Kleinbahn, ein Thema für den betriebsorientierten Modellbahner
Der klassische FREMO-Betrieb orientiert sich seit jeher an einer eingleisigen, staatlichen Nebenbahn, bei der alle Bahnhöfe mit Fahrdienstleitern besetzt sind. Wählt man für seine Betriebsstelle einen entsprechenden Vorbildbahnhof aus, kommen schnell 8 bis 9 Meter Bahnhofslänge zusammen. In dieser für das Vorbild eher kleinen Station gab es – je nach Bedeutung des Ortes – meist zwei Bahnsteiggleise, eine Ladestraße und ein Güterschuppengleis. Realistischerweise kann man hierzu ein Güteraufkommen von etwa 10 Achsen am Tag annehmen, also eine Gähnnummer für den Fahrdienstleiter. Damit sich dieser (oft der Erbauer) nicht langweilt, wird gern zusätzlich etwas mehr „Action“ durch zusätzliche Ladestellen oder Gleisanschlüsse gemacht oder eine eigene Ortslok für ausgiebiges Rangiervergnügen eingeplant. Dass der Nahgüterzug in diesen Bahnhöfen selbstständig rangiert, wie es ursprünglich seine Aufgabe war, ist wegen der geringeren Streckendurchlässigkeit unerwünscht, stattdessen wird nur die für den Bahnhof bestimmte Wagengruppe ausgestellt oder aufgenommen.
Das ist bei Kleinbahnen komplett anders. Dort sind die Bahnhöfe in der Regel nicht mit Fahrdienstleitern besetzt, denn es wird im Zugleitbetrieb gefahren. Die Zugmannschaften übernehmen zusätzliche Aufgaben (Zugmeldung, Durchführen von Zugkreuzungen, etc.) und die Mannschaft des Ng tut plötzlich das, was man eigentlich von einem Nahgüterzug erwartet: in jeder Station rangieren!
Maßstäbliche Kleinbahn-Bahnhöfe lassen sich zudem gut auf 3 bis 5 Metern Modullänge unterbringen. Zusammen mit den leichteren, niedrigeren Modulkästen kann man einen maßstäblichen Kleinbahn-Bahnhof in einem 4- oder 5-fach-Decker mit der Grundfläche von 90 x 40 cm unterbringen. So ein Paket ist ca. 70 cm hoch und entspricht damit in etwa dem Volumen eines B-Profil- Doppeldeckers. In einen normalen Kombi passt aber nicht nur ein solches Paket, sondern auch noch zwei 5er-Pakete Streckenmodule. Damit lässt sich endlich die uralte FREMO-Forderung, zur Betriebsstelle die doppelte Streckenlänge mitzubringen, erfüllen.
An Vorbildern gibt es keinen Mangel. Kleinbahnen sind in der Literatur recht gut dokumentiert. Viele Gleise und Ladestellen müssen nicht sein, den Betriebsspaß bringen die Vielzahl an Betriebsstellen und nicht die Größe einiger weniger.
Kleinbahn-Betrieb
Wie schon erwähnt, wird auf der Kleinbahn im Zugleitbetrieb gefahren. Der Zugleiter überwacht alle Zugfahrten und koordiniert nebenbei auch das Be-/Entladen der Wagen – damit ist er voll ausgelastet. Die Zugmannschaften der sonst so unbeliebten Personenzüge müssen Zuglaufmeldungen und Fahrtanfragen machen sowie Kreuzungen mit Gegenzügen durchführen, die vor der Trapeztafel halten. Kleinbahntypisch nimmt auch der Personenzug eilige Güterwagen mit oder verkehrt entgegen der Hauptlastrichtung oft als GmP. Und die Mannschaft des Ng rangiert – ihm nimmt keine Ortslok die Arbeit mehr weg. Wegen der zwar kleineren, aber dafür vielen Unterwegsstationen verteilt sich der Verkehr (und die Einschränkungen durch lange Rangierzeiten) auf die gesamte Strecke. Überhaupt, die große Streckenlänge ermöglicht es, richtig auf Strecke zu fahren und nicht kurz nach der Ausziehlänge vor der nächsten Trapeztafel zu stehen.
Das Kleinbahn-Kopfprofil
Das Modulkopfstück wurde aus dem bekannten Privatbahn- bzw. H0-PS-Kopfprofil abgeleitet, das die schon von H0e bekannte Bohrungslage im 5-cm-Raster aufweist. Neu sind die für Kleinbahnen typischen Entwässerungsgräben, die sich exakt an den Lenz-Normalien orientieren (Zeichnung des Kopfprofils). Das deutlich geringere Transportvolumen resultiert aus der geringeren Modulkastenhöhe sowie der verringerten Modulbreite von 35 cm für Streckenmodule; Betriebsstellen können (müssen aber nicht) breiter ausgeführt werden. Diese Breite erlaubt noch eine realistische Landschaftsgestaltung.
Schon so mancher Modulbauer ist fast daran verzweifelt, die B-Profil-Kopfstücke in allen Achsen winklig zu einem Modulkasten zusammengesetzt zu bekommen. Bei den Kleinbahnmodulen werden auf einen ebenen Kasten, der sehr einfach auch ohne Schreinerwerkstatt rechtwinklig herzustellen ist, Trasse und Grabenstruktur mit Leisten aufgesetzt.
Technische Basis ist die H0fine-Norm mit den dort festgelegten Rad-Schiene-Abmessungen sowie maßstäbliche Weichen und vorbildentsprechende Radien.
Kleinbahnthemen
Es erscheint nicht sinnvoll, das Thema Kleinbahn im FREMO an einer konkreten Vorbildbahn zu einem bestimmten Zeitraum auszurichten; hierfür sind die Interessen und Modelle der Mitspieler zu verschieden. Ziel ist es jedoch, einen Epoche-spezifischen und Kleinbahn-typischen Eisenbahnbetrieb durchzuführen. Da die Kleinbahnen in Ost und West auf denselben rechtlichen Grundlagen basieren, die betrieblichen Erfordernisse recht ähnlich sind und markante Details fehlen, können Kleinbahnmodule mit einer großen Bandbreite an Epochen und Themen betrieben werden. Es reicht oftmals lediglich ein Fahrzeugtausch (inkl. der Straßenfahrzeuge) aus, um den authentischen Eindruck einer Kleinbahn in West- oder Ostdeutschland zu erwecken. Denkbar ist auch ein moderner Privatbahnbetrieb etwa Mitte der 90er Jahre.
Kleinbahn-Modulaktivitäten
Dieses Konzept fängt nicht bei Null an, sondern wurde bereits im Jahr 2005 bei Treffen in Bodman, Heinsberg und Tuningen erfolgreich praktiziert. An Modulen stehen momentan neben einem Schattenbahnhof ein Abzweig auf Kleinbahnprofil mit B-Profil in der Hauptstrecke (Abzw Forsthaus), eine kleine Zwischenstation (Bf Schönberg, WEG), ein größerer Zwischenbahnhof mit Kreuzungsmöglichkeit (Bf Kelkheim, FK), eine Anschlussstelle (Ast Arnsdorf, Görlitzer Kreisbahn) und zwei ungestaltete Endpunkte (Klein Endingen, Quenstedt) sowie Streckenmodule zur Verfügung.
Beim Jubiläumstreffen in Alsfeld wird der Kleinbahnast mit seinen Betriebsstellen im H0fine-Arrangement zu finden sein. Hier kann sich jeder davon überzeugen, dass Kleinbahn absolut kein langweiliges Thema ist.
Berthold Kaminski, Mathias Hellmann, erschienen in Hp1 Modellbahn 2. und 3. Quartal 2006